Nelly Sachs und Paul Celan, beides deutsch-jüdische Dichter, die das 3.Reich wohl überlebt, aber zeitlebens die seelischen Qualen als Folge der Erlebnisse nicht überwinden konnten, haben eine Dichtung hinterlassen, die das "Einst" wachhält, das Einst der Vergangenheit und das Einst der Zukunft. Dieser grandiose Bogen, den ihre Gedichte spannen, ist für die Gegenwart unvermindert wertvoll, denn immer gibt es im Heute die Notwendigkeit nicht zu vergessen und dennoch sich auf den Weg in das Neue zu begeben.
(Plakat von Gundula Kientzler-Röhm)
Presse Bewegungsperformance
(mit Neuer Musik und Gedichte und Briefe von Paul Celan und Nelly Sachs)
"...wie leicht wird Erde sein...“
Am 14. Mai 2000 herrschte im Saal der Freien Waldorfschule Göttingen eine betroffene Stille.
Hervorgerufen wurde sie durch eine Eurythmieperformance des Studio für BewegungsChiffren aus Stuttgart.
Durch das Zusammenwirken von Eurythmie (Diana-Maria Sagvosdkina), Musik (Winfried Zimmermann),
und Sprache (Günther Arnulf) wurde ein Raum geschaffen, der die Zuschauer in sich aufnahm und sie an Dichtung und
Leben von Paul Celan und Nelly Sachs teilnehmen ließ .Im 1. Teil, der Paul Celan gewidmet war, erklang nach dem
eurythmisierten „Psalm“ die Originalstimme von Paul Celan in einer Tonbandaufnahme, leise, eindringlich, fast monoton,
welche die Zuschauer in ihren Bann zog. Dass die Fuge in g-moll von J.S.Bach der Todesfuge folgte, war ein Kunstgriff in
der konsequenten Abfolge des Programmes.
Eine weitere Besonderheit waren die Violinenimprovisationen, originell und einmalig gespielt
von Winfried Zimmermann. Die vollständige Aufmerksamkeit und der Mut von Diana-Maria
Sagvosdkina, die das Gehörte
unmittelbar in Bewegung umsetzte, das
einfühlsame Miteinander von Musik und Eurythmie, nur jetzt und so in
einer Improvisation möglich, unwiederholbar, füllte den Raum mit einer
Substanz, die den
Abstand zwischen Bühne und Zuschauerraum überwand. Hierzu gehörte auch der Einsatz eines großen
Seidentuches, von
Sprecher und Eurythmistin bewegt, dass im 1 Teil bei dem Celan Text „Als
uns das Weiße anfiel...“ wie in einem großem Atemzug sich hob und
senkte, ein und auswickelte, verdichtete
und löste, dem Atem der
Sprache folgend, ohne ihn bloß zu imitieren.
Der 2. Teil, bestehend aus
dem Briefwechsel von
Paul Celan und Nelly Sachs, ließ die Zuschauer
teilnehmen an den Gedanken, Ängsten, Hoffnungen und
tiefen Fragen
dieser beiden ungewöhnlichen Menschen.
Im 3. Teil, der sich Nelly Sachs zuwandte, wurde
konsequent weiter versucht ,Sprache, Musik und Bewegung sich
durchdringen zu lassen, wodurch etwas Neues
in Erscheinung treten konnte, das in Göttingen auf dankbare Anerkennung stieß.
Diesen
Versuch, die ausgetretenen Pfade der
traditionellen Eurythmie zu verlassen, Neues zu wagen, ohne die Eurythmie dabei aufzugeben, kann ich
nur weiterhin viel Erfolg wünschen.